Dinge, die ich ändern kann

Dinge, die ich ändern kann

· 740 Wörter · 4 Minuten Lesezeit Gedanken

Für die Klasse meiner Tochter findet ein Elternabend statt: für einen großer Teil der Schüler dieser 11. Klasse der gymnasialen Oberstufe einer Gesamtschule ist die Versetzung gefährdet. Es sind noch ungefähr zwei Monate bis zum Ende des Schuljahres. In dieser Klasse sind Schüler zusammen, von denen ein Teil sein Abitur in 12 Schuljahren, ein Anderer in 13 Schuljahren macht. Es ist das erste Jahr von G8 - Gymnasium bis zum Abitur in 8 statt bisher 9 Jahren. Und deshalb sind sogenannte G8-Schüler mit G9-Schülern in einer Jahrgangsstufe zusammen.

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Die Befürchtung vor Beginn des Schuljahres war, dass es die G8-Schüler schwerer haben werden als die G9-Schüler, die ja schließlich schon ein ganzes Jahr mehr Zeit für den Lernstoff hatten. Die Schule hat durch Informationsveranstaltungen und Elterngespräche versucht, den Eltern die Angst vor den vermuteten Problemen zu nehmen. Sie hat versucht, die Eltern mit Informationen möglichst gut auf das anstehende Jahr vorzubereiten. Für viele Schüler verlief es dann nicht so, wie von den Eltern erwartet: die Leistungen sind massiv eingebrochen. Überraschenderweise waren es nicht mehrheitlich die G8-Schüler, die Schwierigkeiten hatten.

Der Elternabend sucht Antworten auf die Frage, warum die Klasse so schlecht ist. Einige Schüler sind eingeladen. Auch der Klassenlehrer hat Verstärkung mitgebracht. Die Eltern sehen die Schuld bei der Schule, dem System (G8), den Lehrern, die zu hart benoten. Die Lehrer berichten von Disziplin- und Respektlosigkeit, mangelndem Leistungswillen, ja sogar einer Verweigerungshaltung mancher Schüler. Einige Eltern denken laut darüber nach, wie man das „Ruder noch herumreißen“ kann. Schüler-Lerngruppen, vielleicht weitere Angebote der Lehrer? Man ist sich einig: alles viel zu spät – es bleibt eigentlich zu wenig Zeit. Und überhaupt hätte man schon viel früher informiert werden müssen, dann hätte man noch etwas tun können. Hier liegt doch eindeutig Versagen der Schule vor! Moment – wessen Kinder gehen hier nochmal Tag für Tag zur Schule und sind damit im Bilde, oder könnten es sein? Vielleicht hilft es auch, mal mit seinem Kind über die eigene Situation in der Schule zu sprechen?

Es ist wie fast immer: die Gründe für die Situation sind vielfältig, eine eventuelle Lösung sehr komplex. Nichts wofür man Zeit oder Nerven zu haben scheint. Auch die Verantwortung dafür, dass es so gekommen ist, würde sich letztendlich als weit gestreut erweisen. Doch so etwas kann keiner gebrauchen, wenn schnelle Lösungen her müssen. Also die besten Voraussetzungen dafür, dass das Richtige weder gefunden noch gesucht werden wird.

Ich schreibe das hier nicht aus einer entspannten Situation heraus, denn auch für meine Tochter steht es auf des Messers Schneide. Aber wenn ich wirklich das Schulsystem ändern möchte, dann nähme ich einen Kampf auf, der weit über die Zeit hinaus andauernd würde, in der meine Kinder noch zur Schule gehen werden.

Sicherlich kann man das Schulsystem ändern, wenn auch nicht alleine. Nicht jedoch zusammen mit den meisten Eltern dieses Elternabends, denen es nur solange um eine Veränderung ernst ist, solange das eigene Kind betroffen ist. Doch für Opportunisten ist es der falsche Kampf. Das ihre Kinder dieses Schuljahr mit weitaus besseren Noten überstehen als es ihre Leistung rechtfertigt wird damit nicht erreicht. Und das wären dann auch noch die falschen Gründe.

Mir fällt dazu das Gelassenheitsgebet ein, das ich zum letzten Mal im Film „Mr. Brooks – Der Mörder in Dir“ gehört habe:

Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen,
die ich nicht ändern kann,
den Mut, Dinge zu ändern,
die ich ändern kann,
und die Weisheit,
das eine vom anderen zu unterscheiden.

-- Reinhold Niebuhr

Was viele Menschen - hier die Schüler und auch die Eltern - nicht verstehen ist die eigene Rolle: vieles in unserem Leben ist wie ein Paar-Tanz. Das Ganze funktioniert immer nur solange, wie auch wir unsere Schritte machen. Letztendlich: wir müssen unseren Beitrag leisten, dass eine schlechte Situation auch eine bleibt. Jede Situationen, deren Teil wir sind, ändert sich, wenn wir selber unser Verhalten ändern. Und die Macht uns selber, unser eigenes Verhalten zu ändern, liegt ganz allein bei uns. Systeme oder andere Menschen zu ändern ist da ungleich schwerer. Und trotzdem scheint es immer wieder das zu sein, was wir am ehesten versuchen.

Übrigends: ich mag Filme nicht – häufig sind es amerikanische - in denen die Moral der erzählten Geschichte am Ende immer nochmal explizit ausgesprochen werden muss ...